Foto: Jürgen Wittholt
Es könnte der Witz des Jahres sein – wenn es für den Buxtehuder SV nicht so traurig wäre: Die Hansestadt Buxtehude sperrt die Bundesliga-Mannschaft aus und verhängt ein unbefristetes Trainingsverbot mit Haftmittel (sogenannte Backe) in der neuen 23 Millionen Euro teuren Halle Nord, die erst am Samstag mit dem ersten Bundesliga-Spiel des BSV feierlich eröffnet wurde – im Beisein von Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt und Landrat Kai Seefried.
Die Hansestadt Buxtehude hat entschieden: In der neuen Halle darf bis auf weiteres nur ohne Harz trainiert werden. Begründung: Es sei noch nicht geklärt, wie dort künftig der Boden von Backe gereinigt werden soll. Für BSV-Manager Peter Prior ist das völlig unverständlich: „Die Stadt Buxtehude und das von ihr beauftragte Reinigungsunternehmen verfügen über 40(!) Jahre Erfahrung mit der Reinigung eines Backe-Bodens. In der alten Halle Nord war das schon lange kein Problem mehr.“
Für die Buxtehuder Bundesliga-Mannschaft, die am Samstag die 1.500 Zuschauer restlos begeisterte und dem Meisterschaftsfavoriten Thüringer HC beim 29:29 einen Punkt abknüpfen konnte, ein ganz schwerer Schlag: Eine Woche vor dem richtungsweisenden Auswärtsspiel bei der Sport-Union Neckarsulm steht das Team von Trainer Dirk Leun in Buxtehude gänzlich ohne jede Trainingsmöglichkeit da! Für den Verein gibt es in dieser Woche gar keine Alternative, denn die alte Halle Nord, in der bis vergangenen Freitag noch alle Teams von der E-Jugend bis zur Bundesliga trainierten, ist in dieser Woche wegen Bauarbeiten komplett gesperrt.
Darüber wurde der BSV bereits Ende August informiert und fragte sofort im Schul- und Sportamt an, wo denn ab 8. September trainiert werden kann. Antwort: „Wir kommen in Kürze auf Sie zu.“ BSV-Geschäftsführer Timm Hubert fragte noch mehrfach nach, bekam aber bis zu diesem Montag keine Antwort.
Peter Prior: „Dabei haben wir alles darangesetzt, die Halle nach dem Spiel am Samstag so schnell wie möglich abzubauen, damit ab Montag Schulsport- und Vereinssport möglich sind. Am Montag um 8 Uhr waren noch vier Mann vor Ort und haben als letztes zusammen mit dem Hausmeister die Tribünen abgebaut.“
Montagfrüh hieß es plötzlich: „Wenn der mobile Boden liegen geblieben wäre, hätte man mit Backe trainieren können.“ Aber der gesamte Hallen-Abbau war auch mit der Stadt lange vorher abgestimmt und auch die Boden-Crew schon vor Ort.“ Manager Peter Prior: „Mit dem mobilen Boden hätte die Schule die ganze Woche die drei Hallenteile nicht nutzen können. Die sollen doch unter der Bundesliga nicht leiden, die Stadt hat im Gegenteil immer wieder betont: Die Schulnutzung stehe in der neuen Halle an erster Stelle!
Die Schüler der IGS Buxtehude mussten die letzten vier Wochen in der alten Halle Nord schon ohne jedes Turngerät Sport machen, weil die Stadt Buxtehude diese in den Sommerferien in die neue Halle hatte bringen lassen. Verzweifelte Sportlehrer hatten später mit ihren Schülern zum Teil einzelne Gerätschaften wieder zurückgeholt.
Manager Peter Prior: „Und das großzügige Angebot der Stadt, ohne Backe trainieren zu dürfen, ist ja ein absolutes Armutszeugnis, weil die Verantwortlichen auch nach 36 Jahren 1. Liga in Buxtehude nicht verstanden haben, dass Handballer im Leistungsbereich ohne Backe nicht trainieren können.“
Claudia Blaß, Leiterin Schul- und Sportamt der Hansestadt Buxtehude, am Montag auf die Frage von Timm Hubert, wo die Bundesliga denn jetzt trainieren soll: „Es ist nicht meine Aufgabe, der Bundesliga eine Halle mit Harz zur Verfügung zu stellen. Wenn eine Halle gesperrt ist, müssen Sie eine Alternative finden. Wenn Sie das nicht schaffen, ist das unprofessionell. Vielleicht können Sie in Beckdorf trainieren, da haben Sie ja eine tolle Kooperation.“
Im Laufe des Montags spitzte sich die Lage noch einmal zu. Am Morgen hieß es noch, ohne Backe dürft ihr trainieren. Daraufhin wurden weibliche und männliche E-Jugend sowie die weibliche A-Jugend informiert. Stunden später die neue Hiobsbotschaft: Das Bauamt untersagt nun bis auf weiuteres jegliches Training in der neuen Halle – aus Sicherheitsgründen! Fragt man sich, wie denn am Samstag das Bundesliga-Spiel mit 1.500 Zuschauern stattfinden konnte. Und warum die Schüler der IGS Buxtehude dort am Montag Sport machen durften?
Hört man sich auf den Fluren des Stadthauses um, dann gibt es im Stadthaus zwischen Bauamt sowie Schul- und Sportamt keine Kommunikation und erst recht keine Zusammenarbeit. Manager Peter Prior: „Weiß die Bürgermeisterin eigentlich, was in ihrer Verwaltung läuft? Oder will sie das alles so haben?“
Aktueller Stand: Keine Mannschaft – von E-Jugend bis Bundesliga – kann diese Woche trainieren. Eine besondere Ironie zeigte sich am Montagmittag beim Blick in die alte Halle Nord. Da war niemand zu sehen, krankheitsbedingt fiel der Start der Bauarbeiten zunächst mal aus. Ein Training war dennoch nicht möglich, der Hausmeister hat strikte Anweisung: Die Halle bleibt gesperrt!
Die beiden Geschäftsführer Timm Hubert und Peter Prior sind völlig verzweifelt. Das mag für die Öffentlichkeit jetzt überraschend kommen, weil man am Samstag noch gemeinsam die neue Halle eröffnet hat. Prior: „Aber wir haben schon in den letzten Wochen extreme Probleme gehabt, mussten sehen, wie wir mit Fehlplanungen in der Halle umgehen können und Lösungen finden. Und mussten immer wieder erleben, dass uns die Verwaltung unbegründete Vorwürfe macht und uns mit immer neuen Auflagen massiv beschränkt. Dazu nur zwei von ganz vielen Beispielen:
So moniert die Stadt schriftlich am 1. September: „Der BSV informiert auf dem Rundgang am 21.08.25, dass auch beim täglichen Training Handballharz genutzt wird.“ Dabei wurde mit der Stadt schon vor Jahren vereinbart, dass alle Teams, die mit Backe tranieren, auf eine Halle konzentriert werden. Und dass selbstverständlich täglich mit Backe trainiert wird.“
Zu dem immer noch ungelösten Problem mit Ballfangnetzen heißt es dort: „Durch die Änderung der Handballrichtlinie in 2024 wurden die Ballfangnetze hinter den Toren erforderlich. Nach der vorherigen Richtlinie, die auch als Planungsgrundlage diente, waren keine erforderlich.“
Prior: „Das ist schlicht und einfach falsch: Tatsächlich sind Ballfangnetze von der HBF seit 2015 Pflicht. Die Stadt Buxtehude hat in der alten Halle freundlicherweise im August 2015 eine Stahlkonstruktion anbringen lassen, damit wir fortan ein Ballfangnetz anbringen konnten.“
Mitunter mangelt es an bei der Stadt auch schlicht an Kompetenz: Als der BSV vor einigen Wochen feststellen musste, dass im Bereich der Auswechselspielerinnen der Abstand zwischen Tribüne und Außenlinie nicht den Vorschriften der HBF entspricht und man jetzt schauen müsse, ob die HBF sich damit zufrieden gibt, wenn die erste Sitzreihe hinter den Auswechselspielerinnen freibleibt, kam von einem leitenden Mitarbeiter der Stadt die Frage: „Müssen die Auswechselspielerinnen denn hier sitzen, können die nicht auf der Tribüne sitzen oder in Halle 4 und 5 warten, bis sie dran sind?
Timm Hubert: „Wir wissen, dass der Schritt an die Öffentlichkeit bei der Stadt gewiss eine heftige Gegenreaktion auslösen wird und kaum ein Einlenken. Aber wir wissen wirklich nicht mehr weiter. Wenn es so weiter geht, geraten die Bundesliga und die ganze Nachwuchsarbeit in Gefahr. Und dass jetzt, wo die langersehnte Halle endlich steht.“
Manager Peter Prior resigniert: „Ich habe in den letzten Tagen und Wochen schon mehrfach darüber nachgedacht, hinzuschmeißen. Vielleicht ist es das, was die Stadt will. Aber ich habe von meinen verstorbenen Eltern gelernt, sich gegen Unrecht zu wehren. So habe ich auch meine Kinder erzogen. Und als Sportler will ich weiter kämpfen für die Bundesliga und unsere Nachwuchsarbeit in Buxtehude.“